Donnerstag, 25. Oktober 2012

Von der Vergangenheit eingeholt

Viele Menschen haben schwierige Erlebnisse zu verarbeiten. Und kaum hat man das Gefühl, alles läuft wieder in geregelten Bahnen, da holt einem die Vergangenheit ein. Genauso ergeht es auch Kristina und ihrer Mutter Doris. Vor Kurzem bezogen beide eine neue Wohnung, um den vergangenen Schicksalsschlägen zu entkommen, doch dann steht plötzlich der gewalttätige Ex-Lebensgefährte von Doris vor der Tür und will sich Zugang zur Wohnung verschaffen. Mutter und Tochter geraten in Angst und Panik, bis die Tragödie nicht mehr zu vermeiden ist.

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Jetzt aber ist Doris schon wieder derart in Panik, dass sie Kristina zusammenstaucht. Traurig und enttäuscht schaut sie ihre Mutter an – so wie ein Hund, der nicht weiß, weshalb er Prügel bekam. Doch Doris reagiert nicht auf das stille Flehen ihres Kindes, da sie mit ihrem eigenen Stress absolut überfordert ist.
 Ein weiteres Mal zieht die Asthmatikerin an ihrem Spray, bevor sie sich deprimiert in die Küche zurückzieht.
 „Ach nun komm schon“, redet der Draußenstehende auf die 35-Jährige ein, „ich will dir doch nur zeigen, dass ich mich gebessert habe. Im Knast habe ich gelernt, was mir wirklich wichtig ist.“ Einen Augenblick ist Stille, bevor er fortfährt: „Ich trinke auch nicht mehr, und ich hab mich unter Kontrolle ... ehrlich.“
 „Wenn du das alles weißt, und du dich angeblich gebessert hast, dann beweise es mir, indem du verschwindest. Wir wollen nichts mehr mit dir zu tun haben“, gibt Doris mit zitternder Stimme von sich.
 Der hinter der Tür Stehende lässt nicht locker. „Aber ich liebe dich doch noch immer. Und Kristina auch. Ich will doch einfach nur sehen, wie es euch geht.“
 „Hier gibt es für dich nichts zu sehen, das Kapitel mit dir ist abgeschlossen. Und wir haben keine Lust, auch nur im Entferntesten etwas mit dir zu tun haben zu wollen.“ Sie bewegt ihre Augen lauschend und geht vorsichtig auf die Tür zu, um zu schauen, ob der 41-Jährige noch immer im Hausflur steht. „Und wenn du nicht sofort verschwindest, rufe ich die Polizei.“
 Diese Aussage scheint dem Ruhestörer zum Nachdenken zu zwingen. Doch dieser Schein trügt. Wieder klopft Robert an die Tür; ganz sanft. Freundlich bittet er um Einlass. Doris aber weiß, dass diese seichte Art nur gespielt ist, denn sie kennt den Mann draußen vor der Tür haargenau. „Ich habe dir gesagt, dass du verschwinden sollst“, bittet sie etwas gelassener. „Ich lass dich nicht rein. Weshalb, das weißt du genau.“
 Dann bullert Robert vor Wut heftig gegen die Tür, woraufhin sie vibriert. Kurz ist Stille - eine unheimliche Stille, die Doris Angst macht. Es scheint ihr, als wäre diese bedrückende Ruhe ein schlechtes Omen; als wäre die unangenehme Stille böses Gedankengut Roberts. Und sie weiß, dass er sich überlegt, wie er es doch noch schaffen könnte in die Wohnung zu kommen. Irgendetwas plant er jedenfalls, und das kann nichts Gutes bedeuten.

Die Novelle "Panik"

Wie die bereits vorgestellte Novelle "Der Unfall" ist auch "Panik" Bestandteil der Anthologie Coldcut, welche mit insgesamt 240 Seiten als Softcover erhältlich ist.

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